Mutterland ist eine fragmentarische, dokumentarfotografische Arbeit, die sich mit den tiefen gesellschaftlichen und persönlichen Bruchstellen befasst, die die deutsche Wiedervereinigung in der ostdeutschen Provinz hinterlassen hat. Über 35 Jahre nach dem Fall der Mauer sind die Auswirkungen dieser Transformationen noch immer spürbar. Das Projekt bewegt sich zwischen historischer Aufarbeitung und einer intimen Auseinandersetzung mit Kekulés Familiengeschichte.
Die Wiedervereinigung brachte große Hoffnungen, aber auch Unsicherheiten. Sein Großvater, ein Messerschmied aus dem Thüringer Wald, erlebte hautnah, wie sein Handwerk und seine Gemeinschaft in einer provinziellen Gegend nach der Wende überflüssig wurden. Seine Mutter verließ 1990 als junge Frau die DDR. Die Region verzeichnete kurzzeitig eine der höchsten Arbeitslosenquoten in Ostdeutschland. Viele Menschen fühlten sich entwurzelt und verloren in einem neuen System, das alte Strukturen und Identitäten auflöste.
In Mutterland begegnet Kekulé Menschen, die diese Orientierungslosigkeit bis heute spüren. Ihre Geschichten zeugen von andauernden Kämpfen um Identität und Zugehörigkeit. Sie zeigen, wie die Vergangenheit noch immer das Leben im heutigen Deutschland prägt. Dabei fließen auch die Erfahrungen seiner eigenen Familie ein, insbesondere die Suche nach einer neuen Identität in einer veränderten Gesellschaft.
Visuell entfaltet sich Mutterland in einem monochromatischen Stil. Diese Bilder erzählen von Verlust, Entfremdung und einer ungewissen Zukunft. Sie rücken die Brüche ins Zentrum, die der gesellschaftliche Wandel hinterlassen hat.
Die Arbeit bietet eine subjektive, emotionale Perspektive auf die komplexen Folgen der Wiedervereinigung. Anstatt ein Opfernarrativ zu zeichnen, möchte Kekulé gemeinsame Erfahrungen von Dissoziation und kollektiver Verlustgefühle sichtbar machen und zugleich auf individuelle Widerstandskraft und Anpassungsfähigkeit hinweisen.
Der Fotograf ist zwischen Ost und West aufgewachsen und ist in beiden deutschen Realitäten sozialisiert. Die Wendejahre prägten nicht nur seine Mutter, sondern auch ihn, obwohl er die DDR nicht bewusst erlebt hat. Mutterland ist deshalb auch eine persönliche Spurensuche nach den Wurzeln seiner eigenen Identität.
Eröffnung: 20. November 2025, 19 Uhr
Artist Talk: Memory Landscapes – MUTTERLAND in Dialogue
Michel Kekulé im Gespräch mit dem Schriftsteller und Fotografen Björn Kuhligk
Über die Nachwendegeneration, Orte und visuelle Reflektionen
06. Dezember 2025, 19 Uhr
Ausstellung: 20. November – 18. Dezember 2025
https://michelkekule.com/




